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NS-Verfolgung

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [247]: Karl Feiler – Besitzer, Chefarzt der Sanatorien: Wasserheilanstalt Judendorf bei Graz, Purkersdorf (Westend), Parksanatorium Hietzing, Barockschlössel „Berghof“ in Perchtoldsdorf, NS-Verfolgter

Karl Feiler – Besitzer, Chefarzt der Sanatorien: Wasserheilanstalt Judendorf bei Graz, Purkersdorf (Westend), Parksanatorium Hietzing, Barockschlössel „Berghof“ in Perchtoldsdorf, NS-Verfolgter

Autor: Dr. Walter Mentzel

Published online: 02.10.2023

Keywords: Karl Feiler, Wasserheilanstalt Judendorf bei Graz, Westend in Purkersdorf, Parksanatorium Hietzing, Barockschlössel „Berghof“ in Perchtoldsdorf, NS-Verfolgter, Medizingeschichte, Wien

Karl Victor Feiler geboren am 8. Oktober 1874 in Prossnitz in Mähren (heute: Prostějov/Tschechien), studierte seit 1894 an der Universität Wien Medizin und promovierte am 8. November 1901.

Wasserheilanstalt Judendorf bei Graz

Danach trat er in leitender Funktion in das von dem Mediziner Josef Lippa (1865-1934) im Jahr 1900 erworbene und unter dessen Leitung stehende erste Kurhaus und Wasserheilanstalt in Judendorf bei Graz ein, das zuvor 1899 als Seniorenheim errichtet worden war. Ab 1901 führte Lippa die Anstalt gemeinsam mit Karl Feiler. 1902 heiratete Karl die Tochter von Josef Lippa, Etel Adele Lippa (*22.10.1881 Budapest), und führte ab diesem Jahr die Heilanstalt bis 1924 als Alleininhaber. 1910 ließ er das Sanatorium neu errichten und modernisieren,[1] 1914 wurde er zum Präsidenten des neu gegründeten Fremdenverkehrsvereins der Region gewählt.[2] 1905 publizierte er „Ein Plessimeter zur Unterscheidung feinerer Schalldifferenzen“ und 1906 „Über zwei instruktive Fälle von Sympathicusneurose und über ein bei denselben aufgetretenes auffalendes Symptom“.[3]

Während des Ersten Weltkrieges stellte Feiler sein Sanatorium dem Roten Kreuz als Rekonvaleszentenhaus zur Verfügung[4] und wirkte hier als Chefarzt des Roten Kreuzes. In dieser Funktion publizierte er 1915 „Die Vorzüge des Saccharins vor dem Zucker im Kriege“.[5]

Nach dem Krieg führte er das Sanatorium weiter und engagierte sich in der 1923 gegründeten „Bürgerlich-demokratischen Arbeitspartei für Steiermark“,[6] kurz darauf wechselte er zur Christlichsozialen Partei. 1924/25 kaufte die Krankenkasse der österreichischen Bundesbahn das Sanatorium.

Sanatorium Purkersdorf (Westend)

Im Juli 1927 übernahm Feiler gemeinsam mit Max Berliner (1883- ermordet nach 1941) nach dem Tod von Victor Zuckerkandl (1851-1927) – dem Bruder von Emil (1849-1910) und Otto Zuckerkandl (1861-1921) – als Chefarzt die Leitung des von Zuckerkandl 1904/05 errichteten Sanatoriums Purkersdorf in der Wienerstraße 62-90,[7] das nunmehr den Beinamen „Westend“ bekam. Die Geschäftsführung bestand aus drei Personen, darunter Fritz Zuckerkandl (1895-1983). 1938 wurde das sich noch im Besitz der Familie Zuckerkandl befindende Sanatorium „arisiert“.

Inserat: Parksanatorium Westend, Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 5, 1929, S. 154

Parksanatorium Hietzing Dr. Feiler & Co (auch Parksanatorium Hütteldorf-Hacking, vorher Sanatorium und Wasserheilanstalt Bellevue für Nervenkranke)

1930 erwarb Feiler aus der Verlassenschaft von Viktor Zuckerkandl, das 1905 eröffnete und 1913 von Viktor und seiner Frau Paula Zuckerkandl erworbene Parksanatorium Hütteldorf-Hacking, wo bereits seit 1911/1912 der Arzt Max Berliner als Mitgesellschafter und Geschäftsführer wirkte.[8] Seine Ehefrau Adele war Mitgesellschafterin des nunmehrigen Parksanatoriums Hietzing Dr. Feiler & Co. Nachdem das Sanatorium 1932 in finanzielle Schwierigkeiten geraten war und noch im selben Jahr ein Ausgleich gelang, kam es schließlich 1936 zur Versteigerung des Betriebes. 1933 publizierte Feiler „Ein Fall von jahrelang symptomlos verlaufender Pachymeningitis haemorrhagica interna mit tödlichem Ausgang“.[9]

Neue Freie Presse, 2.9.1933, S. 9.

Im September 1936 eröffnete Feiler eine Arztpraxis für Innere, Stoffwechsel- und Nervenkrankheiten an seinem Wohnort in Wien 6, Rahlgasse 1.[10]

Sanatorium Barockschlössel in Perchtoldsdorf

1937 übernahm Feiler die Position eines Chefarztes im sogenannten Barockschlössel „Berghof in Perchtoldsdorf.[11]

Inserat: Kuranstalt Berghof, Neue Freie Presse, 18.3.1937, S. 6.

Feiler war seit 1909 Mitglied der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien.[12]

Karl und Adele Feiler waren jüdischer Herkunft und wurden nach dem „Anschluss“ von den Nationalsozialisten verfolgt, und am 15. Oktober 1941 von Wien nach Łódź deportiert und ermordet.

Quellen:

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0513, Feiler Karl (Nationalien Datum: 1898/99).

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0452, Feiler Karl (Nationalien Datum: 1894/95).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 195-078a, Feiler Karl (Rigorosum Datum: 5.11.1901).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 189-0863, Feiler Karl (Promotion Datum: 08.11.1901).

OeStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 43.455, Feiler Karl.

OeStA, AdR, E-uReang, FLD, Zl. 27.694, Feiler Adele.

WStLA, Magistratsabteilung 213, Sonderfaszikel, Krankenanstalten, 1.3.2.213.A3.1.1, Mappe 1, Teil 1-3: Nr. 69: Sanatorium Purkersdorf, 14., Wienerstraße.

WStLA, Magistratsabteilung 212, Ausgeschiedene Krankenanstalten, 1.3.2.212.A23.19/4 – Parksanatorium Hietzing, 1934-1951.

Literatur:

Feiler, Karl: Ein Plessimeter zur Unterscheidung feinerer Schalldifferenzen. Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien, Leipzig: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1905.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Feiler, Karl: Über zwei instruktive Fälle Sympathicusneurose und über ein bei denselben aufgetretenes auffallendes Symptom. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Moritz Perles k.u.k. Hofbuchhandlung 1906.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Referenzen:

[1] Österreichische Monatsschrift für den öffentlichen Baudienst, Nr. 45, 1910, S. 673.

[2] Grazer Volksblatt, 21.1.1914, S. 5.

[3] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 23, 1906, Sp. 1129-1136.

[4] Grazer Tagblatt, 19.9.1914, S. 18.

[5] Der Militärarzt, Nr. 16, 1915, Sp. 263-266.

[6] Neues Wiener Journal, 28.1.1923, S. 4.

[7] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 27, 1927, S. 921.

[8] Neue Freie Presse, 18.5.1930, S. 10.

[9] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 24, 1932, S. 664-666.

[10] Der Tag, 20.9.1936, S. 10.

[11] Österreichische Kunst, H. 5, 1937, S. 37.

[12] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 2, 1909, Sp. 107.

Normdaten (Person): Feiler, Karl: BBL: 42075; GND: 1304700151;

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Letzte Aktualisierung: 2023 10 02

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [245]: Melitta Sperling – Ärztin, Psychoanalytikerin, NS-Verfolgte

Melitta Sperling – Ärztin, Psychoanalytikerin, NS-Verfolgte

Autor: Harald Albrecht, BA M.A.LIS

Published online: 28.09.2023

Keywords: Melitta Sperling, Anna Freud, Asthma, Colitis ulcerosa, George Sperling, Kinderheilkunde, New York Psychoanalytic Society (NYPS), Otto Sperling, Psychoanalyse, Psychosomatik, Transvestismus, Wiener psychoanalytische Gesellschaft

Melitta Sperling (geborene Wojnilower) wurde am 15.10.1899 in Śniatyn/Galizien (Österreich-Ungarn/heute: Snjatyn, Снятин/Ukraine) als Tochter von Hersch Leib Wojnilower und dessen Frau Rachel (geborene Biermann) geboren. Ihr späterer Ehemann beginnt ihren Nachruf mit folgenden Worten über ihre Jugendjahre: „When Melitta was 10 years old, she decided, in identification with an aunt, to become a physician and to fight death and suffering. At the age of 15, during the first World War, she had to flee from the advancing Russian army with her family from Czernowitz in a horse and carriage. Life in Vienna as a refugee was hard, but she succeeded in completing high school with special honors.”[1]

Melitta Sperling, 1958

Nach ihrer 1918 im Gymnasium Wien II (Josef-Gall-Gasse/heute: Danube International School Vienna) erfolgreich abgelegten Matura, begann sie ein Studium der Medizin an der Universität Wien, das sie 1924 mit ihrer Promotion abschloss. Danach spezialisierte sie sich auf Kinderheilkunde, später auf Psychiatrie und arbeitete im Kinderkrankenhaus in Bad Hall und im Allgemeinen Krankenhaus in Wien. In ihrem Turnus lernte sie auf der psychiatrischen Abteilung im Wiener AKH den Psychoanalytiker Otto Sperling (1899-2002) kennen. Die beiden heirateten 1929 und hatten gemeinsam die Kinder George Sperling (*1934, Experimentalpsychologe) und Eva S., verheiratete Cockcroft (*1939, Künstlerin). Ebenfalls 1929 eröffnete Melitta Sperling eine Facharztpraxis für Kinderheilkunde in Wien und begann eine Lehranalyse bei Anna Freud (1895-1982) am Lehrinstitut der Wiener psychoanalytischen Gesellschaft.

Otto und Melitta Sperling wurden aufgrund ihrer jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgt. Es gelang ihnen 1938 die Emigration in die USA, wo sie sich in New York City niederließen. Von 1939 bis 1942 nahm Melitta Sperling ihre psychoanalytische Ausbildung am NY Psychoanalytic Institute wieder auf, während sie in der pädiatrischen Abteilung des Brooklyn Jewish Hospital arbeitete. Sie initiierte die Gründung der Kinderpsychiatrischen Klinik am Brooklyn Jewish Hospital und wurde zuerst Mitglied, dann Lehranalytikerin und Supervisorin für Kinder und Erwachsene der New York Psychoanalytic Society (NYPS). Daneben eröffnete sie eine Privatpraxis, unterrichtete über die Entwicklung des Kindes und psychosomatische Krankheiten an der Kings County Medical Society und lehrte von 1949 bis 1970 Psychiatrie an der University of New York.

Melitta Sperling veröffentlichte im Laufe ihrer Karriere 75 wissenschaftliche Papers. Davon finden sich auch einige in den Beständen der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien. 1967 erschien: Analyse eines Knaben mit transvestitischen Tendenzen. Ein Beitrag zur Genese und Dynamik des Transvestitismus. 1969 wurde folgende beiden Texte in deutscher Übersetzung veröffentlicht: Psychotherapeutische Aspekte des kindlichen Bronchialasthmas. Und: Psychotherapeutische Aspekte der Coltis ulcerosa bei Kindern. In: Handbuch der Kinderpsychotherapie.

Titelblatt: Psychotherapeutische Aspekte der Colitis ulcerosa bei Kindern

Melitta Sperling war eine Pionierin auf dem Gebiet der psychosomatischen Erkrankungen im Kindesalter und war eine der ersten Analytiker:innen, die diese als „prägenitale Konversionssymptome“ beschrieben hat. Sie konzentrierte „sich auf die Rolle der prägenitalen Konflikte und die spezielle symbiotische Mutter-Kind-Beziehung psychosomatischer Patient:innen. Im Mittelpunkt ihrer zahlreichen Veröffentlichungen standen u.a. Phobien, Migräne, Depressionen, Transvestismus und Colitis ulcerosa.“[2]

Melitta Sperling verstarb am 28.12.1973 in New York City.

Quellen:

Melitta Sperling geb. Wojnilower (1899-1973). In: Psychoanalytikerinnen. Biografisches Lexikon: https://www.psychoanalytikerinnen.de/oesterreich_biografien.html#Sperling Stand: 13.09.2023.

Sperling Melitta, Malka, geb. Wojnilower […]. In: biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Hg.: Ilse Korotin. Bd. 3 P-Z. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag 2016. S. 3115.

Mühlleitner, Elke: Sperling, Melitta (Malka), geb. Wojnilower […]. In: Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben – Werk – Wirken. Hg.: Brigitta Keinzel und Ilse Korotin. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag 2002. S. 698-699.

9901 Sperling, Melitta (geb. Melitta Wojnilower) *15.10.1899 Śniatyn/Galizien, Δ 28.12.1973 New York City, New York, USA. In: Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft 18. bis 20. Jahrhundert. Hg.: Österreichische Nationalbibliothek. Band 3 S-/ 8923-11742 Register. München: K.G. Saur 2002. S. 1290.

Sperling, Otto: Dr. Melitta Sperling […]. In: Pirquet bulletin of clinical medicine. (22/4-5) 1974. S. 6.

Literatur:

Sperling, Melitta: Analyse eines Knaben mit transvestitischen Tendenzen. Ein Beitrag zur Genese und Dynamik des Transvestitismus. In: Psyche. (21/7) 1967. S. [520]-541.

[Universitätsbibliothek, AKH/Magazin, Periodika]

Sperling, Melitta: VI. Psychotherapeutische Aspekte des kindlichen Bronchialasthmas. In: Handbuch der Kinderpsychotherapie. Hg.: Gerd Biermann. Band 2. München: Reinhardt 1969. S. 886-896.

[Universitätsbibliothek, AKH/Magazin, Sign.: 1999-03485]

Sperling, Melitta: VIII. Psychotherapeutische Aspekte der Coltis ulcerosa bei Kindern. In: Handbuch der Kinderpsychotherapie. Hg.: Gerd Biermann. Band 2. München: Reinhardt 1969. S. 912-921.

[Universitätsbibliothek, AKH/Magazin, Sign.: 1999-03485]

Referenzen:

[1] Sperling, Otto: Dr. Melitta Sperling […]. In: Pirquet bulletin of clinical medicine. (22/4-5) 1974. S. 6.

[2] https://www.psychoanalytikerinnen.de/oesterreich_biografien.html#Sperling Stand: 13.09.2023.

Normdaten (Person): Sperling, Melitta: BBL: 42065; GND: 142843482;

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Letzte Aktualisierung: 2023 09 28

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [244]: Robert Pollatschek – Arzt am Kaiser Franz-Joseph-Spital, NS-Verfolgter

Robert Pollatschek – Arzt am Kaiser Franz-Joseph-Spital, NS-Verfolgter

Autor: Dr. Walter Mentzel

Published online: 28.09.2023

Keywords: Robert Pollatschek, Internist, Kaiser Franz-Joseph-Spital, NS-Verfolgter, Medizingeschichte, Wien

Robert Pollatschek wurde am 20. Jänner 1878 als Sohn von Alois Pollatschek (1846-1908) und Cäcilie, geborene Epstein (1849-1898), in Trebitsch in Mähren (heute: Trebic/Tschechien), geboren. Sein Bruder war der bekannte Redakteur der Arbeiter-Zeitung Gustav Pollatschek. Er war seit 1909 mit der Konzertpianistin Marianne Leitner (geb. 2.6.1886 Baden bei Wien, gest. 1.5.1940 Wien) verheiratet.

Pollatschek studierte an der Universität Wien Medizin, promovierte am 7. Februar 1902 und arbeitete danach als Sekundararzt am Kaiser Franz-Joseph-Spital in Wien bei dem Dozenten und Vorstand der chirurgischen Abteilung Georg Lotheissen (1868-1941). Hier publizierte er 1903 „Neuere therapeutische Versuche beim Erysipel“ und 1905 „Ein Fall von subcutaner Zerreisung des Musculus adductor longus“.[1]

Am Ersten Weltkrieg nahm er als Landsturmarzt teil, und publizierte 1916 „Leitpunkte zur ärztlichen Beurteilung der Wachdiensttauglichkeit.[2] 1917 erfolgte seine Ernennung zum Landsturmoberarzt.[3]

Nach dem Krieg führte er eine Praxis als praktischer Arzt in Wien 2, Pazmanitengasse 10/Heinestraße 17, wo er auch wohnhaft war. 1927 erhielt er vom Bundespräsidenten der Republik Österreich den Titel eines Medizinalrates verliehen.[4]

Pollatschek war seit 1909 Mitglied der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde,[5] weiters war er Mitglied der Wirtschaftlichen Organisation der Ärzte Wiens. Schon vor dem Ersten Weltkrieg gehörte er als unterstützendes Mitglied der „Vereinigung der arbeitenden Frauen“ an.[6]

Robert Pollatschek und seine Familie waren nach dem „Anschluss“ im März 1938 wegen ihrer jüdischen Herkunft der NS-Verfolgung ausgesetzt. Robert und Marianne Pollatschek begingen am 1. Mai 1940 in ihrer Wohnung in Wien Suizid. Ihrem gemeinsamen Sohn Georg (1910-1997) gelang die Flucht vor den Nationalsozialisten aus Österreich in die USA, wo er den Namen George Porter annahm.

Quellen:

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 195-286b, Pollatschek Robert (Rigorosum Datum: 15.1.1902).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 189-0896, Pollatschek Robert (Rigorosum Datum: 7.2.1902).

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 41.335, Pollatschek Robert.

Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes: Pollatschek Robert, Marianne

Friedhofsdatenbank der IKG Wien, Pollatschek Robert und Marianne.

Literatur:

Pollatschek, Robert: Neuere therapeutische Versuche beim Eryspiel. Aus der II. med. Abteilung des k.k. Franz-Joseph-Spitals in Wien (Vorstand: Professor Schlesinger). Sonderdruck aus: Therapie der Gegenwart. Berlin, Wien: Verlag Urban & Schwarzenberg 1903.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Referenzen:

[1] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 7, 1905, Sp. 317-320.

[2] Wiener klinische Wochenschrift, Nr. 38, 1916, S. 1221.

[3] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 17, 1917, Sp. 797.

[4] Wiener Zeitung, 19.7.1927, S. 1.

[5] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 2, 1909, Sp. 107.

[6] Österreichische Frauenrundschau/Mitteilungen der Vereinigung der arbeitenden Frauen, H. 1, 1909, S.27.

Normdaten (Person): Pollatschek, Robert: BBL: 42059; GND: 1304249840;

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BBL: 42059 (28. 09. 2023)
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Letzte Aktualisierung: 2023 09 28

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [234]: Otto von Fürth – Pharmakologe, Biochemiker und Physiologe, NS-Verfolgter

Otto von Fürth – Pharmakologe, Biochemiker und Physiologe, NS-Verfolgter

Autor: Dr. Walter Mentzel

Affiliation: Medizinische Universität Wien, Universitätsbibliothek, Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien, Österreich

Published online: 17.08.2023

Keywords: Otto von Fürth, Pharmakologe, Physiologie, Biochemie, NS-Verfolgter, Arzt, Medizingeschichte

Otto von Fürth wurde am 18. November 1867 als Sohn des Fabrikbesitzers, Hoflieferanten, Reichsratsabgeordneten und Abgeordneten zum böhmischen Landtag Josef Ritter von Fürth (1822–1892) und Wilhelmine (1832–1904), geborene Forchheimer, in Strakonice in Böhmen (heute: Tschechien) geboren. 1887 übersiedelte die Familie Fürth von Strakonice nach Wien. 1900 heiratete er Margarethe von Grünbaum (1876-1942), mit der er die beiden Kinder Josef Egon Fürth (1901-1939) und Wilhelmine Elisabeth Fürth (1904-1942) hatte. Wilhelmine publizierte 1925 als Chemiestudentin an der Chemischen Abteilung des Physiologischen Institutes, wo ihr Vater tätig war, eine Studie „Zur Kenntnis des Ablaufs der Harnsäureoxydation durch Jod“.

Otto von Fürth studierte zunächst an der Universität in Wien, danach in Prag, Heidelberg und Berlin Naturwissenschaften und Medizin, und zuletzt wieder in Wien, wo er am 16. März 1894 zum Doktor der Medizin promovierte. Danach arbeitete er bis 1896 als Assistent am Pharmakologischen Institut in Prag bei Franz Hofmeister (1850-1922), dem er 1896 als Assistent an das Physiologisch-Chemische Institut der Universität in Straßburg folgte. Hier habilitierte sich Fürth 1899 im Fach Angewandte Physiologische Chemie. Daneben leistete er ab 1894 seinen Militärdienst als Reserve-Assistenzarzt beim Infanterieregiment Nr. 91 im Garnisonsspital Nr. 11 in Prag ab.[1] 1905 kehrte er mit seiner Familie nach Wien zurück und trat als Privatdozent in die Abteilung für Physiologische Chemie am Physiologischen Institut der Universität Wien ein. 1906 erfolgte seine Ernennung zum außerordentlichen Professor für angewandte medizinische Chemie, im Mai 1917 erhielt er den Titel und Charakter eines ordentlichen Professors verliehen, und 1929 wurde er zum ordentlichen Professor und zum Vorstand des Medizinisch-Chemischen Institutes ernannt.[2] Während des Ersten Weltkrieges war Fürth als Chefarzt der Inneren Abteilung im Reservespital l in der Stiftskaserne in Wien-Neubau tätig.

 
Der Tag, 18.11.1937, S. 4.

Die Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin besitzt einen umfangreichen Bestand seiner wissenschaftlichen Arbeiten, einen Großteil davon in der Separata-Bibliothek. Darunter das mehrbändige Werk „Probleme der physiologischen und pathologischen Chemie. Fünfzig Vorlesungen über neuere Ergebnisse und Richtungslinien der Forschung“ und sein 1925 erschienenes „Lehrbuch der physiologischen und pathologischen Chemie in 75 Vorlesungen für Studierende, Ärzte, Biologen und Chemiker“.

Otto von Fürth und seine Familie waren aufgrund ihrer jüdischen Herkunft der NS-Verfolgung ausgesetzt. Nachdem er nach dem „Anschluss“ am 18. März 1938 seines Amtes an der Universität Wien enthoben und Ende Mai 1938 zwangsweise in den dauernden Ruhestand versetzt worden war, verstarb Fürth am 7. Juni 1938 in Wien. Sein Sohn Josef Egon Fürth wurde am 16. November 1938 aus einer Sammelwohnung in Wien 2, Herminengasse 32 in das KZ Dachau verschleppt und dort am 15. März 1939 ermordet. Seine Ehefrau Margarethe und seine Tochter Wilhelmine Fürth lebten bis zu ihrer Deportation in einer Sammelwohnung in Wien 2, Herminengasse 16/7 und wurden gemeinsam am 9. Juni 1942 mit dem Transport 26 von Wien nach Minsk und Blagovshchina bei Maly Trostinec deportiert und dort am 15. Juni 1942 ermordet. Von Otto von Fürth konnten im Zuge der systematischen Provenienzforschung an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien im ehemaligen Bibliotheksbestand der I. chirurgischen Klinik 68 Bücher und Separata ermittelt werden, die seine Exlibris, handschriftliche Eigentumsvermerke oder an ihn gerichtete Widmungen enthalten. Zwei Separata waren erst 1937, ein ihm zuordenbares Buch im Jahr 1938 erschienen. Derzeit erfolgt die Suche nach den Erb:innen von Otto von Fürth zur Durchführung der Restitution.


Exlibris Otto von Füth.

1948 erschien von seinem früheren Schüler und ebenfalls NS-Verfolgten und 1938 von der Universität Wien vertriebenen Professor für Physiologische Chemie Fritz Lieben (1890-1966) in der Wiener klinischen Wochenschrift ein umfassender Nachruf als Sonderdruck.[3] Nach Otto von Fürth wurde 1966 der Fürthweg in Wien Hietzing benannt.

Quellen:

Archiv der IKG Wien, Matriken, Trauungsbuch 1900, Otto Ritter von Fürth/Margarethe von Grünbaum.

Arolson-Archiv, Inhaftierungsdokumente/Lager und Ghettos, Konzentrationslager Dachau, Individuelle Häftlings-Unterlagen – KL Dachau: Egon Fürth.

Arolsen-Archiv, Transport 26: Deportation von Wien nach Minsk und Blagovshchina (bei Maly Trostenets), 09.06.1942, Fürth Wilhelm und Margarete.

DÖW, Datenbank österreichischer Shoah-Opfer und Todesopfer politischer Verfolgung 1938 bis 1945 sowie von der Gestapo Wien erkennungsdienstlich erfasster Männer und Frauen (www.doew.at), Margarethe und Wilhelmine Fürth.

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 9.583, Otto Fürth.

UAW, Akten Sonderreihe des Akademischen Senats des Rektorats der Universitätsdirektion, S 304 Personalblätter, Senat S 304.327 Otto Fürth.

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 187, Zl. 1230, Otto Fürth.

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 177, Zl. 100a, Otto Fürth.

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134, Zl. 0374, Otto Fürth.

UAW, Med. Fak., Zl. 1019/1937-38, Otto Fürth.

UAW, Rektorat, Zl. 19/1937-38, Zl. 677/1937-38, Otto Fürth.

UAW, Senat S 305.22, Otto Fürth, Nekrolog verfasst von Fritz Lieben.

WStLA, Bundespolizeidirektion Wien, Historische Meldeunterlagen, Prominentensammlung Otto Fürth.

Erhard Glaser, Professor Dr. Otto Fürth – ein Siebziger, in: Wiener Medizinische Wochenschrift 87 (13.11.1937) 46, 1185-1186.

Fritz Lieben, Otto von Fürth. Ein Gedenkblatt, in: Wiener klinische Wochenschrift, 18.6.1948, 376-378.

N., Tagesnachrichten und Notizen, in: Internationale klinische Rundschau, Nr. 48, 1899, S. 859.

N., Tagesnachrichten und Notizen, Internationale klinische Rundschau, Nr. 11, 1905, S. 196.

Mentzel Walter: Otto (von) Fürth, in: Lexikon der österreichischen Provenienzforschung.

Literatur:

Fürth, Wilhelmine Elisabeth: Zur Kenntnis des Ablaufs der Harnsäureoxidation durch Jod. Aus der chemischen Abteilung der Wiener physiologischen Universitätsinstituts. Sonderdruck aus: Biochemische Zeitschrift. Berlin: Verlag von Julius Springer 1925.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Fürth, Otto von: Probleme der physiologischen und pathologischen Chemie. Fünfzig Vorlesungen über neuere Ergebnisse und Richtungslinien der Forschung. 2 Bände. Leipzig: Vogel 1912-1913.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 57814]

Fürth, Otto von: Lehrbuch der physiologischen und pathologischen Chemie. In 75 Vorlesungen für Studierende, Ärzte, Biologen und Chemiker. 2. völlig neubearbeitete und erweiterte Auflage. 2 Bände. Leipzig: Vogel 1927-1928.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Gesellschaft der Ärzte Bibliothek, Sign.: GÄ-21341]

Referenzen:

[1] Die Presse, 21.11.1894, S. 3.

[2] Pharmaceutische Rundschau, 10.2.1929, S. 16.

[3] Wiener klinische Wochenschrift, Nr. 24, 1948, S.

Normdaten (Person): Fürth, Otto von: BBL: 41678; GND: 117540277;

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BBL: 41678 (08.08.2023)
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Letzte Aktualisierung: 2023 08 17

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [231]: Herbert Elias – Professor für Innere Medizin an der I. medizinischen Klinik, Obmann des Vereins jüdischer Ärzte, NS-Verfolgter

Herbert Elias – Professor für Innere Medizin an der I. medizinischen Klinik, Obmann des Vereins jüdischer Ärzte, NS-Verfolgter

Autor: Dr. Walter Mentzel

Affiliation: Medizinische Universität Wien, Universitätsbibliothek, Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien, Österreich

Published online: 07.08.2023

Keywords: Herbert Elias, Internist, I. medizinische Klinik, Verein jüdischer Ärzte, NS-Verfolgter, Arzt, Wien, Medizingeschichte

Herbert Elias wurde am 30. April 1885 als Sohn des Gerichtsadvokaten Salomon Elias (geb. 4.10.1841 Waag Neustadt, heute: Nové Mesto Nad Váhom/Slowakei, gest. 21.2.1935 Wien) und Helene Kauders (geb. 28.10.1854 Eisenstadt, gest. 15.7.1921 Wien) in Wien geboren. Seine Schwester Melita (geb. 28.10.1878 Wien, gest. 18.3.1938 Wien) war mit dem Mediziner Gabor Gabriel Nobl (geb. 12.10.1864 Steinamanger Ungarn, gest. 18.3.1938 Wien) verheiratet. Seine erste Ehe schloss er 1916 mit Ilse von Arnim, mit der er den Sohn und späteren Mediziner Kurt Elias (geb. 3.9.1918 Wien, gest. 1.3.2010 New York/USA) und die spätere Psychologin Hanna hatte. Seit 1936 war er mit der Medizinerin Ada Hirsch verheiratet.

Elias studierte an der Universität Wien Medizin, arbeitete schon während des Studiums am anatomischen Institut bei Emil Zuckerkandl (1849-1910) und beim Professor für physiologische Chemie Franz Hofmeister (1850-1922) in Straßburg und promovierte am 10. Mai 1909 in Wien. Danach begann er seine wissenschaftliche Laufbahn als Arzt und Mediziner an der I. medizinischen Klinik beim Internisten Carl von Noorden (1858-1944), wo er schon 1908 gemeinsam mit Otto Porges (1879-1967) und Hugo Salomon (1872-1954) die Arbeit „Theoretisches über Serumreaktion auf Syphilis“ publiziert hatte. Hier publizierte er noch vor dem Ersten Weltkrieg als Assistent eine Reihe von Arbeiten wie „Über die Rolle der Säure im Kohlenhydratstoffwechsel: Über Säurediabetes“, „Wärmestich und Nebenniere“, oder eine Studie aus dem Physiologisch-chemischen Institut in Straßburg „Über die Kohlensäurebildung im überlebenden blutdurchströmten Muskel“. 1910 erfolgte seine Ernennung zum Assistenzarzt der Reserve beim Infanterieregiment Graf Daun Nr. 56,[1] und 1913 zum Oberarzt.[2]

Seinen Militärdienst während des Ersten Weltkrieges leistete er als Kommandant des Epidemiespitales in Strzemieszyce[3] in Galizien, danach in Jedrzejow,[4] und in Beresteczke[5] ab. Dafür wurde er mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Ritterkreuz des Franz-Josef-Ordens am Bande des Militärverdienstkreuzes und dem Silbernen Signum laudis. 1918 publizierte er wieder in Wien an der I. medizinischen Klinik „Alkalitherapie bei komatöser Cholera: aus k. u. k. Epidemiespitälern des I. A. E. K. und aus der I. medizinischen Universitätsklinik in Wien“, „Zur Theorie der serologischen Reaktionen auf Fleckfieber. Bemerkungen zur Mitteilung von Dr. A. Felix: Ueber die angeblichen polyagglutinatorischen Eigenschaften des Serums Fleckfieberkranker“ und „Kriegskost und Diabetes. Eine therapeutische Studie“.

Nach dem Krieg nahm er seine Tätigkeit als Assistent von Professor Karl Wenckebach (1864-1940) an der I. medizinischen Klinik wieder auf. 1919 publizierte er hier „Zur Klinik und Pathologie der Grippe“.[6] Im selben Jahr wurde er nach seiner Habilitation zum Privatdozenten für innere Medizin ernannt,[7] 1929 erfolgte seine Ernennung zum a.o. Professor.[8] Neben seiner Tätigkeit an der I. medizinischen Klinik arbeitete er noch seit 1936 als Primararzt und Leiter der inneren Abteilung im Spital der Wiener Kaufmannschaft,[9] und ebenfalls seit 1936 neben Leo Hess (1879-1963) als Leiter der internen Abteilung im Spital der Kultusgemeinde Wien, dem Rothschild-Spital.[10] In den 1920er und 1930er Jahren erschienen von ihm zahlreiche Arbeiten, die sich heute in der Separata- und in der Neuburger-Bibliothek der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin befinden. Darunter „Über die Rolle der Säure im Kohlenhydratstoffwechsel“, „Insulinschock und Zentralnervensystem“, „Insulinbehandlung“ oder „Die Zirkulationsgeschwindigkeit des Blutes bei Kranken mit Aorteninsuffizienz und mit Mitralstenose im kompensierten Zustande“. Mit Nikolaus Jagič (1875-1956) und Alfred Luger (1886-1938) war er 1922 Mitherausgeber und Mitverfasser des „Leitfaden der klinischen Krankenuntersuchung“.

Schon früh, seit spätestens 1911 war Elias in den volksbildnerischen Institutionen Wiens u.a. durch Vorträge im Volksbildungshaus Stöbergasse in Wien tätig. Weiters wirkte er als Vortragender in den internationalen Fortbildungskursen der Medizinischen Fakultät in Wien mit. Neben seinem Engagement im Wiederaufbaufonds Palästina,[11] gehörte er als Vorstandsmitglied dem Verein Mensa academica judaice an,[12] und unterstützte den Bund für Mutterschutz.[13] 1925 trat er der Freimaurerloge „Wahrheit“ der B’nai Brith in Wien bei. Im November 1936 erfolgte seine Wahl zum Obmann des Vereins jüdischer Ärzte, als Nachfolger von Ludwig Braun (1867-1936),[14] dessen Obmannschaft er bis März 1938 ausübte.

Elias war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien, der Virchow und Pirquet Gesellschaft, der er auch als Präsident vorstand, sowie der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien, wo er auch als Mitherausgeber dessen Organs, „Wiener Archiv für Innere Medizin“ auftrat.

Elias und seine Ehefrau Ada wurden wegen ihrer jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgt. Elias wurde am 22. April 1938 seines Amtes enthoben, seine Venia legendi widerrufen und von der Universität Wien vertrieben.

Elias und seine Ehefrau Ada gelang, so wie seinen beiden Kindern aus erster Ehe, die Flucht in die USA. In New York stand Elias als Präsident dem „American Council of Jews from Austria“ vor.[15] Seine Tochter Johanna Elias (1917-2011), verehelichte Kapit, die 1935/36 in Wien die Reichsanstalt für Mutter- und Säuglingspflege besucht und zuletzt an der Philosophischen Fakultät im 3. Studiensemester inskribiert und Psychologie und Kunstgeschichte studiert hatte, arbeitete in New York als Psychologin und Psychoanalytikerin. Sie verstarb am 9. Juni 2011. Sein Sohn Kurt Elias hatte im Wintersemester 1937/38 im 2. Semester an der Medizinischen Fakultät in Wien studiert und setzte ab 1941 am New York Medical College sein Studium fort. Er promovierte 1944 und arbeitete als Arzt in den USA, unter anderem für die österreichische Botschaft in New York. Er verstarb am 1. März 2010 in New York.

Herbert Elias verstarb am 29. Juli 1975 In New York.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Geburtsbuch 1885, Elias Herbert.

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0594, Elias Herbert (Nationalien Datum: 1906/07).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 196-0102, Elias Herbert (Rigorosum Datum: 29.4.1909).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 190-0898, Elias Herbert (Promotion Datum: 10.5.1909).

UAW, Rektoratsarchiv, Akademischer Senat, Akten Sonderreihe, S. 304 Personalblätter, Senat S 304.218 Elias, Herbert (30.04.1885-1975; Innere Medizin).

ÖStA, AdR, E-uReang, VVST, VA, Zl. 10.616, Herbert Elias.

Gedenkbuch der Universität Wien: Elias Herbert, Johanna Elias, Kurt Elias.

Literatur:

Elias, Herbert, Salomon, Hugo und Otto Proges: Theoretisches über die Serumreaktion auf Syphilis. Aus der I. medizinischen Klinik in Wien (Vorstand: Prof. C. v. Noorden). Sonderdruck. Wien: 1908.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Elias, Herbert: Über die Rolle der Säure im Kohlehydratstoffwechsel. Über Säurediabetes. Aus der I. medizinischen Universitätsklinik in Wien. Sonderdruck aus: Biochemische Zeitschrift. Berlin: Verlag von Julius Springer 1913.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Elias, Herbert: Wärmestich und Nebenniere. Aus der I. medizinischen Klinik in Wien (Vorstand: Hofrat Prof. v. Noorden). Sonderdruck aus: Zentralblatt für Physiologie. Wien: 1913.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Elias, Herbert: Über die Kohlensäurebildung im überlebenden blutdurchströmten Muskel. Aus dem Physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg. Sonderdruck aus: Biochemische Zeitschrift. Berlin: Verlag von Julius Springer 1913.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Elias, Herbert: Alkalitherapie bei komatöser Cholera. Aus k.u.k. Epidemiespitälern der I.A.E.K. und aus der I. medizinischen Universitätsklinik in Wien. Sonderdruck aus: Therapeutische Monatshefte. Berlin: Verlag von Julius Springer 1918.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Elias, Herbert: Zur Theorie der serologischen Reaktionen auf Fleckfieber. Bemerkungen zur Mitteilung von Dr. A. Felix: Ueber die angeblichen polyagglutinatorischen Eigenschaften des Serums Fleckfieberkranker. Aus der ersten medizinischen Klinik in Wien. (Vorstand: Prof. K. F. Wenckebach). Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien, Leipzig: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1918.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Elias, Herbert und Richard Singer: Kriegskunst und Diabetes. Eine therapeutische Studie. Aus der I. medizinischen Klinik Wien (Vorstand Prof. Dr. K.F. Wenckebach). Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien, Leipzig: Wilhelm Braumüller 1918.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Elias, Herbert und U. Sammartino: Über die Rolle der Säure im Kohlenhydratstoffwechsel. IV. Mitteilung. Die Beziehungen von Säure und Alkali zur Adrenalinglykosurie. Aus der I. Medizinischen Universitätsklinik in Wien. (Mit 9 Abbildungen im Text) Sonderdruck aus: Biochemische Zeitschrift. Berlin: Verlag von Julius Springer 1921.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Elias, Herbert und J. Goldstein: Insulinschock und Zentralnervensystem (Insulin ein Diagnostikum zur Herddiagnose bei zerebromedullären Prozessen) Aus der I. Medizinischen Klinik in Wien (Prov. Leiter: Prof. Dr. O. Porges). Sonderdruck aus: Medizinische Klinik. Berlin: Verlag von Urban & Schwarzenberg 1932.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Elias, Herbert: Insulinbehandlung. Sonderduck aus: Wiener klinische Zeitschrift. Wien: Verlag von Julius Springer 1925.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Elias, Herbert und Rudolf Laub: Die Zirkulationsgeschwindigkeit des Blutes bei Kranken mit Aorteninsuffizienz und mit Mitralstenose im kompensierten Zustande. Aus der I. Medizinischen Universitätsklinik in Wien (Vorstand: Prof. H. Eppinger). Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Julius Springer 1935.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Elias, Herbert, Jagič, Nikolaus von und Alfred Luger: Leitfaden der klinischen Krankenuntersuchung. Berlin, Wien: Urban & Schwarzenberg 1922.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 66903]

Referenzen:

[1] Wiener Zeitung, 19.6.1910, S. 2.

[2] Neue Freie Presse, 4.5.1913, S. 57.

[3] Wiener Zeitung, 2.5.1915, S. 2.

[4] Wiener Zeitung, 11.9.1915, S. 1.

[5] Neue Freie Presse, 21.10.1915, S. 9.

[6] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 8, 1919, Sp. 393-400.

[7] Neue Freie Presse, 27.6.1919, S. 8.

[8] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 23, 1929, S. 763.

[9] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 16, 1936, S. 451; Der Tag, 1.4.1936, S. 4.

[10] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 27-6.1936, S. 9.

[11] Der Tag, 5.11.1936, S. 8.

[12] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 12.5.1935, S. 12.

[13] Mitteilungen des Österreichischen Bundes für Mutterschutz, H. 3, 1914, S. 8.

[14] Der Tag, 25.11.1936, S. 7.

[15] Wiener Kurier, 14.8.1947, S. 2.

Normdaten (Person): Elias, Herbert : BBL: 41629; GND: 1132202329;

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [229]: Berthold Zins – Facharzt für Innere Medizin, Primarius-Stellvertreter am S. Canning Childs-Spital, NS-Verfolgter

Berthold Zins – Facharzt für Innere Medizin, Primarius-Stellvertreter am S. Canning Childs-Spital, NS-Verfolgter

Autor: Dr. Walter Mentzel

Affiliation: Medizinische Universität Wien, Universitätsbibliothek, Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien, Österreich

Published online: 31.07.2023

Keywords: Berthold Zins, Facharzt für Innere Medizin, Krankenhaus der Wiener Kaufmannschaft, S. Canning Childs-Spital, NS-Verfolgter, Wien, Palästina, Arzt, Medizingeschichte

Berthold Zins wurde als Sohn von Israel Mayer Zins und Sprynce Awerbach am 13. Februar 1891 in Tarnów in Galizien (heute: Polen) geboren.

1910 begann er an der Universität Wien mit dem Studium der Medizin, das er am 13. Februar 1915 mit seiner Promotion abschloss. Danach war er während des Ersten Weltkrieges als Militärarzt in Gaya in Mähren stationiert. 1916 heiratete er in Wien Leopoldstadt die ebenfalls aus Tarnów stammende Chana Lea Blitz (geb. 18.1.1889).

Nach dem Krieg arbeitete er bis zirka 1923 als Facharzt für Innere Krankheiten als Assistent von Primarius Prof. Julius Donath (1870-1950) an der II. medizinischen Abteilung des Krankenhauses der Wiener Kaufmannschaft in Döbling. Hier publizierte er gemeinsam mit Alfred Vogl (1889-1973) die Studie „Eine einfache Methode zum Nachweise pathologischer Bilirubinämie“. 1923 eröffnete er in Wien 9, Kinderspitalgasse 10, eine private Ordination, die er zirka 1932 an den Standort Wien 1, Rathausstraße 13, verlegte. Daneben arbeitete er als Primarius-Stellvertreter an dem 1929 in Wien gegründeten S. Canning Childs-Spital sowie als Facharzt für Innere Erkrankungen an der Krankenkasse Wien. Weiters war Zins in den 1920er Jahren Mitglied und wie Alfred Götzl und Alfred Bass im Vollzugsausschuss der Landeszentrale Wien zur Bekämpfung der Tuberkulose,[1] sowie im Ausschuss der Wirtschaftsorganisation der Ärzte Wiens tätig.[2] Zins war mit seiner Ehefrau 1938 in Wien 9, Währinger Straße 16 wohnhaft.

Berthold und Chana Zins, die beide wegen ihrer jüdischen Herkunft nach dem „Anschluss“ im März 1938 von den Nationalsozialisten verfolgt wurden, flüchteten Ende 1938 aus Österreich. Zuvor gaben sie bei der Auswanderungsabteilung der IKG Wien als Auswanderungsziel Palästina an. Berthold und Chana Zins erreichten am 2. Jänner 1939 Haifa in Palästina und wurden im Februar 1941 eingebürgert. Sie lebten in Tel Aviv.

Berthold und Chana Zins: zirka 1938: Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947, Zins Berthold, Chana.

Im Februar 1942 erhielt Zins die Lizenz zur Ausübung seines Arztberufes.[3] Berthold Zins verstarb am 21. März 1967 in Tel Aviv.

Grabstelle: Nahalat Yitshak Cemetery, Tel Aviv, Israel. Zins Berthold, Billion grave.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Trauungsbuch 1916, Zins Berthold.

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0679, Zins Berthold (Nationalien Datum 1910/11).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 196-0972, Zins Berthold (Rigorosum Datum: 11.2.1915).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 191-0824, Zins Berthold (Promotion Datum: 13.2.1915).

Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947, Zins Berthold, Chana.

Grabstelle: Zins Berthold, Billion grave.

Literatur:

Vogl, Alfred und Berthold Zins: Eine einfache Methode zum Nachweise pathologischer Bilirubinämie. Aus der II. Medizinischen Abteilung des Krankenhauses der Wiener Kaufmannschaft (Primarius Priv.-Doz. Dr. Julius Donath). Sonderdruck aus: Medizinische Klinik. Berlin: Urban & Schwarzenberg 1922.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Referenzen:

[1] Amtsblatt der Stadt Wien, Nr. 93, Wien 1927, S. 1296

[2] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 38, 1930, S 1247.

[3] The Palestine Gazette, Nr. 1177, 19.3.1942, S. 344.

Normdaten (Person): Zins, Berthold: BBL: 41547; GND: 1297758757;

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [228]: Ada Hirsch – Kinder- und Jugendärztin am Jugendamt der Gemeinde Wien, NS-Verfolgte

Ada Hirsch – Kinder- und Jugendärztin am Jugendamt der Gemeinde Wien, NS-Verfolgte

Autor: Walter Mentzel

Affiliation: Medizinische Universität Wien, Universitätsbibliothek, Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien, Österreich

Published online: 20.07.2023

Keywords:  Ada Hirsch, Ada Hirsch-Elias, Kinderärztin, Jugendamt der Gemeinde Wien, NS-Verfolgte, Ärztin, Wien, Medizingeschichte

Ada Hirsch wurde am 28.4.1885 in Wien als Tochter des aus Proßnitz bei Olmütz in Mähren stammenden Buchhalters und späteren Vizepräsidenten und leitenden Verwaltungsrates der Prager Papierfabrik A.G., Emil Hirsch (geb. 10.8.1850 in Prostějov, Olomouc/Tschechien, gest. 8.3.1919 in Prag) und der Wienerin Katharina, geborene Eckstein (geb. 1.3.1862 in Wien, gest. 28.1.1924 in Wien), geboren.

Ada begann 1904 ihr Studium der Medizin an der Universität Prag und führte es an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien bis zu ihrer Promotion fort. Schon vor ihrer Promotion, am 25.11.1910, war sie als Hospitantin an der II. Medizinischen Universitätsklinik tätig, wo sie die mit dem Assistenzarzt Richard Bauer (1879-1959) gemeinsam durchgeführten Untersuchungen 1912 im Aufsatz „Beitrag zum Wesen der Wassermannschen Reaktion“ publizierte. 1913 nahm sie als Referentin an der Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Wien teil.[1] Im selben Jahr veröffentlichte sie, die an der Kinderklinik von Professor Clemens von Pirquet (1874-1929) und an der I. Frauenklinik bei Friedrich Schauta (1849-1919) am Allgemeinen Krankenhaus Wien durchgeführte Studie „Die physiologische Ikterusbereitschaft des Neugeborenen“.

Ab zirka 1915 arbeitete sie am Karolinen-Kinderspital und betrieb daneben in Wien 9, Spitalgasse 27 eine Ordination als Kinderfachärztin. Sie war Mitglied der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien.

Erster Weltkrieg

Ada Hirsch nahm am Ersten Weltkrieg als freiwillige Ärztin nordöstlich von Lemberg im Epidemiespital in Beresteczko (heute: Berestetschko/Ukraine) teil, wofür sie im Juli 1916 als erste von zwei Frauen das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens mit der Kriegsdekoration verliehen bekam.[2] Weiters war sie während des Krieges unterstützendes Mitglied der Gesellschaft zur Fürsorge für Kriegsinvalide.[3]

Kinder- und Jugendärztin am Jugendamt der Gemeinde Wien

Nach dem Krieg gehörte sie 1919 zu den Mitgründerinnen der Organisation der Ärztinnen Wiens, und nahm neben der Vorsitzenden Dora Brücke-Teleky (1879-1963) und Alfreda Seidl (verh. Widerhofer, geb. 1887) sowie Pauline Feldmann (1884-1986) die Funktion einer Schriftführerin ein.[4] Ebenfalls 1919 erhielt sie mit Beschluss des Gemeinderats-Ausschusses der Stadt Wien das Heimat- und Bürgerrecht der Stadt verliehen.[5] Seit spätestens 1925 war sie am Bezirksamt Leopoldstadt neben Professor August Reuss (1879-1954) im Jugendamt II als Leiterin und für die ärztliche Beratung für Säuglinge und Kleinkinder tätig.[6] Daneben arbeitete sie als Fachärztin der Krankenfürsorgeanstalt der Gemeinde Wien und veranstaltete an der Allgemeinen Poliklinik Säuglingspflegekurse.[7] Ab Mitte der 1920er Jahre übernahm sie noch den schulärztlichen Dienst am Mädchen-Realgymnasium in Wien.[8] 1926 publizierte sie an der I. medizinischen Klinik der Deutschen Universität in Prag „Die Wirkung der parenteralen Einverleibung von Proteinkörpern auf das neutrophile Kernbild“.[9]

1936 heiratete sie den Internisten und Professor an der Medizinischen Fakultät in Wien, Herbert Elias (1885-1975), und verlegte ihre Arztpraxis nach Wien 1, Rathausstraße 15.

Ada und ihr Ehemann Herbert Elias, die beide wegen ihrer jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgt wurden, flüchteten nach dem „Anschluss“ über Antwerpen nach Frankreich, von wo sie im Februar 1939 mit der SS Washington in die USA emigrierten und sich in New York niederließen.

New York, U.S. District Court Naturalization Records, 1824-1991, Petitions for naturalization and petition evidence 1944

Sie unterstütze während des Zweiten Weltkrieges u.a. den Pressefonds und die Organisation der österreichischen Sozialisten in den USA, das Austrian Labor Committee.[10]

Ada Elias-Hirsch verstarb am 7. April 1975 in New York.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Geburtsbuch 1885, Hirsch Ada.

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 196-0225, Hirsch Ada (Rigorosum Datum: 23.11.1910).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 190-1159, Hirsch Ada (Promotion Datum: 25.11.1910).

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 10.615, Elias Ada.

ÖStA, AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Abgeltungsfonds, Zl. 10.614, Elias Ada Dr.

ÖStA, AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Sammelstellen A und B SSt, Zl. 6.758, Elias Ada Dr.

WStLA, VEAV, MA. 1.3.2.119.A41 I-67, Bezirk: 5, Elias Ada Dr.

New York, U.S. District Court Naturalization Records, 1824-1991, Petitions for naturalization and petition evidence 1944 box 905, no 478651-478850; NARA microfilm publication M1972, Southern District of New York Petitions for Naturalization, 1897-1944. Records of District Courts of the United States, 1685 – 2009, RG 21. National Archives at New York, Elias Ada.

Sterbe-Verzeichnis der Sozialversicherung (SSDI), Elias Ada.

Literatur:

Bauer, Richard und Ada Hirsch: Beitrag zum Wesen der Wassermannschen Reaktion. Aus der II. medizinischen Universitätsklinik in Wien (Vorstand: Hofrat Prof. E. v. Neusser). Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien, Leipzig: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1912.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Hirsch, Ada: Die physiologische Ikterusbereitschaft des Neugeborenen. Aus der Neugeborenenstation der Kinderklinik (Prof. v. Priquet) an der I. Frauenklinik (Hofrat Prof. Schauta) in Wien. Sonderdruck aus: Zeitschrift für Kinderheilkunde. Leipzig: Druck der Spamerschen Buchdruckerei 1913.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Referenzen:

[1] Medizinische Klinik, 7.9.1913, S. 2049.

[2] Prager Abendblatt, 27.7.1916, S. 4; Teplitz-Schönauer Anzeiger, 29.7.1916, S. 3.

[3] Neue Freie Presse, 11.8.1915, S. 11.

[4] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 14, 1919, Sp. 714-715.

[5] Amtsblatt der Stadt Wien, Wien 1919, S. 2438.

[6] Lehmann, Adressbuch, Wien, 1925, Gewerbebehörden, 1925, S. 35.

[7] Die Mutter Halbmonatsschrift für alle Fragen der Schwangerschaft, 1.12.1925, S. 6.

[8] Jahresbericht des Vereines für realgymnasialen Mädchenunterricht Wien 8, Albertgasse, Wien 1927, S. 6

[9] Wiener Archiv für innere Medizin, Hauptteil Teil 1, 1926, S. 453-468.

[10] Austrian Labor Information, H. 7, 1942, S. 11.

Normdaten (Person): Hirsch, Ada: BBL: 41524; GND: 1296850315;

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Letzte Aktualisierung: 2023 07 31

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [225]: Ferdinand Alt – Arzt für Ohrenheilkunde und leitender Arzt der Ohrenabteilung an der Rudolfstiftung

Ferdinand Alt – Arzt für Ohrenheilkunde und leitender Arzt der Ohrenabteilung an der Rudolfstiftung

Autor: Walter Mentzel

Affiliation: Medizinische Universität Wien, Universitätsbibliothek, Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien, Österreich

Published online: 18.07. 2023

Keywords: Alt Ferdinand, Arzt der Ohrenheilkunde, Rudolfs-Stiftung, Arzt, Medizingeschichte, Wien

Ferdinand Alt wurde am 26. Dezember 1867 als Sohn von Elias Alt und Rosalie Alt (1828-1907) in Wischau in Mähren (heute: Vyškov/Tschechien) geboren. Er war seit 1900 mit Sidonie Schwarzmann (1877-1966) verheiratet und hatte mit ihr die beiden Kinder Rudolf (1901-1975) und Ana Margaretha (1903-1925).

Alt absolvierte das Gymnasium in Brünn, studierte ab 1887 an der Universität Wien Medizin und schloss das Studium am 10. Juni 1893 mit der Promotion ab. Während des Studiums engagierte er sich u.a. als gewähltes Ausschussmitglied der freisinnigen Studenten im medizinischen Unterstützungsverein.[1] Nach dem Studium arbeitete er im Allgemeinen Krankenhaus in Wien und durchlief mehrere Abteilungen für innere Medizin und Chirurgie. Hier publizierte er an der I. medizinischen Abteilung im AKH „Traumatische Neurosen oder traumatische Hysterie[2] und „Ein Fall von Morbus Meniere, bedingt durch leukämische Erkrankung des Nervus acusticus“.[3] 1895 trat er zunächst als Demonstrator und 1896 als Assistent in die Ohrenklinik von Professor Josef Gruber (1827-1900) ein, und wurde nach dessen Ausscheiden bis 1900 Assistent von dessen Nachfolger Adam Politzer (1835-1920). 1897 publizierte er hier „Zur Aetiologie der Erkrankungen des schallempfindlichen Apparates“,[4] und 1898 „Zur Pathologie des corticalen Hörcentrums“,[5] und 1900 „Ueber psychische Taubheit“.[6] 1899 habilitierte er sich zum Privat-Dozenten für Ohrenheilkunde,[7] 1909 erfolgte seine Ernennung zum Professor.[8]

Alt arbeitete am Krankenhaus Wieden und im Rudolfsspital, wo er 1900 ein Ambulatorium für Ohrenerkrankte einrichtete, sowie als leitender Arzt im Filialspital des Taubstummeninstitutes des Spitals. Zuletzt übte er von 1910 bis zu seinem Tod die Leitungsfunktion der Ohrenabteilung im Rudolfsspital aus. Weiters befasste er sich mit der Unfallbegutachtung von Ohrenerkrankungen und der Schädigung des Gehörs durch gewerbliche Beschäftigungen, wo er in dem von Ludwig Teleky (1872-1957) herausgegebenen Band der Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der sozialen Medizin die Studie zu „Die Begutachtung der Unfallserkrankungen des inneren Ohres“ verfasste. Zahlreiche weitere Arbeiten von Ferdinand Alt befinden sich in den Beständen der Separata Bibliothek und der Neuburger Bibliothek an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien.

Darüber hinaus engagierte er sich in der Frage des Kinderschutzes sowie während des Ersten Weltkrieges im „Verein Vox – Schutzverband der Schwerhörigen Österreich-Ungarns“.[9] 1916 erhielt er das Offiziersehrenzeichen vom Roten Kreuz mit der Kriegsdekoration verliehen.[10]

Alt war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien, des Wiener medizinischen Klubs und der Österreichischen otologischen Gesellschaft in Wien, zu dessen Präsident er 1921 gewählt wurde.

Ferdinand Alt verstarb am 6. Jänner 1923 in Wien.

Todesanzeige: Neue Freie Presse, 10.1.1923, S. 14.

Seiner Ehefrau und seinem Sohn Rudolf gelang die Flucht vor den Nationalsozialisten in die USA. Seine Ehefrau verstarb im April 1966 in Newark in New Jersey, sein Sohn 1975 in Monterey in Kalifornien.

Quellen:

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign 134-0352, Alt Ferdinand (Rigorosum Datum 1891).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign 177-9b, Alt Ferdinand (Rigorosum Datum 1891).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign 187-934, Alt Ferdinand (Promotion Datum 10.6.1893).

Friedhofsdatenbank der IKG Wien, Alt Ferdinand.

Referenzen:

[1] Neue Freie Presse, 25.5.1892, S. 8.

[2] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 6, 1895, Sp. 237-241.

[3] Wiener klinische Wochenschrift, Nr. 38, 1896, S. 849-851.

[4] Wiener klinische Rundschau, Nr. 40, 1897, S. 657-658.

[5] Wiener klinische Wochenschrift, Nr. 10, 1898, S. 229-232.

[6] Wiener klinische Rundschau, Nr. 12, 1900, S. 225-228.

[7] Wiener klinische Rundschau, Nr. 24, 1899, S. 397.

[8] Neue Freie Presse, 2.12.1909, S. 3.

[9] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 31.7.1915, S. 15.

[10] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 27, 1916, Sp. 1040.

Normdaten (Person): Alt, Ferdinand: BBL: 41465; GND: 127421890;

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [224]: Heinrich Favarger – Kurarzt in San Remo und Bad Aussee

Heinrich Favarger – Kurarzt in San Remo und Bad Aussee

Autor: Walter Mentzel

Affiliation: Medizinische Universität Wien, Universitätsbibliothek, Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien, Österreich

Published online: 06.07. 2023

Keywords: Favarger Heinrich, Kurarzt, Badearzt, Bad Aussee, San Remo, Arzt, Medizingeschichte, Wien

Heinrich Favarger wurde als Sohn des Triestiner Verlegers Heinrich Franz Favarger und Anna Maria (1819-1897), der Tochter des Buchdruckers und Verlagsbuchhändlers Carl Gerold, am 11. Juni 1848 in Triest geboren. Er kam mit seiner verwitweten Mutter und seinen Geschwistern in den frühen 1860er Jahren nach Wien und absolvierte hier 1869 das Akademische Gymnasium.[1] Danach studierte er an der Universität Wien Medizin, promovierte am 29. Jänner 1875, und arbeitete zunächst als praktischer Arzt am Standort seiner elterlichen Wohnung in Wien 1, Postgasse 6. Favarger war mit Bernardine Schmidt (gest. 14.7.1924) verheiratet. Mit ihr hatte er die Töchter, Rosa Elisabeth „Lily“ (1880-1973), verehelicht mit dem Botaniker Karl Rechinger, Frieda Favarger, und Johanna, verehelicht mit Rechtsantwalt, CSP-Politiker und späteren Präsidenten der österreichischen Nationalbank Viktor Kienböck (1873-1956).

1877 trat Favarger als Nachfolger des verstorbenen Arztes Julius Loewy (1846-1877) die Stelle eines Kurarztes in San Remo an,[2] die er bis zirka 1881 in den Wintermonaten ausübte.

Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 42, 1879, Sp. 1117.

Von 1878 bis zu seinem Tod wirkte er in den Sommermonaten als Kurarzt in Bad Aussee im Salzkammergut, wo er in der Braungasse 194 eine eigene Villa besaß. Er war in Bad Aussee Mitglied der „freien Vereinigung der Ärzte des Ausseer Tales“ und seit 1906 deren gewählter Obmann,[3] und gehörte gemeinsam mit u.a. Prof. Heinrich Obersteiner jun. der Curkommission von Bad Aussee an. 1900 nahm er am 2. Österreichischen Balneologen-Kongress in Ragusa (heute: Dubrovnik) teil.[4] Weiters war er Mitarbeiter der Zeitung Steirische Alpenpost.

1884 publizierte Favarge eine von ihm in San Remo durchgeführte Untersuchung „Ein Fall von Tetanus traumaticus“.[5] Seit den 1880er Jahren beschäftigte er sich mit den Auswirkungen des Nikotin- und Tabakkonsums. 1887 veröffentlichte er „Ueber die chronischen Tabakvergiftung und ihren Einfluss auf das Herz und den Magen“, 1906 eine am Institut für allgemeine und Experimentelle Pathologie in Wien unter dem Vorstand Prof. Richard Paltauf durchgeführte Studie „Zur Frage der chronischen Tabakvergiftung“ und 1914 den Aufsatz „Experimentelle und klinische Beiträge zur chronischen Tabakvergiftung“.

1901 publizierte er einen von ihm untersuchten Fall „Eine in Obersteiermark beobachtete autochthone Elephantiasis“. 1905 veröffentlichte er „Beitrag zur Aetiologie der Herzmuskelschwäche. (Myasthenia cordis.)

Favarger war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien, 1885 bekam das Ritterkreuz des kaiserlich brasilianischen Ordens der Rose verliehen.

Favarger verstarb am 2. April 1916 in Wien.

Quellen:

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Promotionsprotokolle, Sign. 186-228, Favarger Heinrich (Promotion Datum: 29.1.1875).

Sterbebuch, Wien, Evangelische Kirche, H.B., Innere Stadt (Reformierte Stadtkirche), Sign. STB11, 1916, Folio 64, Favarger Heinrich.

Friedhofsdatenbank Wien: Favarger Heinrich.

Sterbebuch, Wien, Evangelische Kirche, H.B., Innere Stadt (Reformierte Stadtkirche), Sign. STB08, 1897, Folio 143, Favarger Anna Maria.

Literatur:

Favarger, Heinrich: Ueber die chronische Tabakvergiftung und ihren Einfluss auf das Herz und den Magen. Vortrag gehalten in der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien am 18. Februar 1887. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: 1887.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Favarger, Heinrich: Zur Frage der chronischen Tabakvergiftung. Aus dem Institute für allgemeine und experimentelle Pathologie in Wien (Vorstand: Prof. Dr. R. Paltauf). Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien, Leipzig: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1906.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Favarger, Heinrich: Experimentelle und klinische Beiträge zur chronischen Tabakvergiftung. Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien, Leipzig: Wilhelm Baumüller k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1914.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Favarger, Heinrich: Eine in der Obersteiermark beobachtete autochthone Elephantiasis. Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien, Leipzig: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1901.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Favarger, Heinrich: Beiträge zur Aetiologie der Herzmuskelschwäche. (Myasthenia cordis.) Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien, Leipzig: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1905.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Referenzen:

[1] Jahresbericht Akademisches Gymnasium Wien, Wien 1869, S. 55.

[2] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 33, 1877, Sp. 810.

[3] Steirische Alpenpost, 14.7.1906, S, 270.

[4] Neue Freie Presse, 29.3.1900, S. 5.

[5] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 49, 1884, Sp. 1463-1465.

Normdaten (Person): Heinrich Favarger: BBL: 41350; GND: 1254313168;

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 41350 (06.07.2023);  Letzte Aktualisierung: 2023 07 06
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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [223]: Aladár (Alfred) Békéss (Fried) – Bahn-Arzt, Leiter des bahnärztlichen Instituts für Elektro- und Heliotherapie in Wien, Vorkämpfer gegen den Alkoholmissbrauch, Wiener Gemeinderat, NS-Verfolgter

Aladár (Alfred) Békéss (Fried) – Bahn-Arzt, Leiter des bahnärztlichen Instituts für Elektro- und Heliotherapie in Wien, Vorkämpfer gegen den Alkoholmissbrauch, Wiener Gemeinderat, NS-Verfolgter

Text: Dr. Walter Mentzel

Aladár Alfred Békéss wurde am 13. Oktober 1868 in Raab (heute: Györ) in Ungarn unter dem Namen Alfred Franz Fried geboren. Nach seinem Austritt aus der IKG Wien im Jahr 1894 konvertierte er zum evangelischen Glauben (AB) und nahm den Namen Aladar Bekes an.

Békéss studierte an der Universität Wien Medizin und promovierte am 14. Juli 1891. Danach besaß er eine Arztpraxis in Wien 2, Praterstraße 11[1] und arbeitete als Assistent bei dem Direktor-Stellvertreter der Poliklinik, Professor Ludwig Mauthner (1840-1894), an der ophthalmologischen Abteilung. Hier publizierte er 1895 die Arbeit „Ein Fall von Wunddiphterie der Conjunctiva“ und 1898 „Zum 80. Geburtstage Semmelweiss (1.Juli 1898)“ sowie „Blepharorrhagia im frühesten Kindesalter“.

Bahn-Arzt

Seit 1899 arbeitete er zunächst als Augen- und Bahn-Arzt, danach als Bahn-Oberarzt in der Nordwestbahndirektion in Wien, und danach als Chefarztstellvertreter in der Direktion für die Linien der Staatsbahngesellschaft.[2] Daneben war er seit spätestens 1901 Obmann des Vereines der Bahnärzte der k.k. priv. Nordwestbahnen und der k.k. priv. südnorddeutschen Verbindungsbahn. Zuletzt war er noch bis 1932 Obmann der Landesgruppe Wien und Burgenland des Verbandes österreichischer Bahnärzte (VöB), bevor der Verband während des austrofaschistischen Regimes 1935 gleichgeschalten und in die berufsständischen Strukturen integriert wurde.

1912 entwickelte er im Rahmen seiner Tätigkeit als Bahn-Arzt sogenannte Rettungskästen zur Mitnahme von medizinischen Rettungsutensilien in Eisenbahnzügen für Notfallsituationen und Eisenbahnunfällen.[3] 1913 nahm er am Internationalen Kongress für Rettungswesen und Unfallverhütung in Wien teil.[4]

Daneben war er in der Volksbildung tätig, wie 1908 als Teilnehmer und Referent an der Enquete zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten[5] und am Kongress der Alkoholgegner in Wien,[6] sowie 1911 als Vortragender vor dem Neuen Wiener Frauenclub zum Thema Gesundheitsfragen.[7] Er war Mitglied der Österreichischen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten in Wien.[8]

Vorkämpfer gegen den Alkoholmissbrauch

Sein Engagement gegen die Folgen des Alkoholmissbrauchs – vor allem innerhalb der Berufsgruppe der Eisenbahnbediensteten – nahm er sowohl in seiner Funktion als Bahn-Arzt, wo er auch als Präsident des 1906 gegründeten Eisenbahn-Alkoholgegner-Verbandes fungierte,[9] als auch in seinem Tätigkeitsbereich als Funktionär der Sozialdemokratischen Partei und Gewerkschafter wahr. Innerhalb der Strukturen der Sozialdemokratischen Partei widmete er sich diesem Thema als Referent – beispielsweise 1906 in der Ortsgruppe Leopoldstadt[10] – sowie in den Bildungsveranstaltungen der Arbeiterkammer im Jahr 1923.[11] Darüber hinaus war er in den Antialkoholorganisationen wie dem Arbeiterabstinenzbund aktiv,[12] vor allem aber als Mitglied und Obmann der innerösterreichischen Organisation[13] der Guttempler, die er auch einem breiteren Publikum durch seine Referententätigkeit u.a. 1927 im Rahmen der Aktion „Schutz der Jugend vor den Volksseuchen“,[14] oder 1928 vor dem Arbeiterabstinenten-Bund, näher zu bringen versuchte.[15]

1905 nahm er am Internationalen Antialkoholkongress in Budapest,[16] und Ende 1905 in Berlin am Kongress der „enthaltsamen Eisenbahner“ teil.[17] 1906 referierte er vor dem Wissenschaftlichen Club über „Alkohol und Eisenbahn“,[18] 1913 vor dem Reichsverband der Hebammen zum Thema „Alkohol und Mutter“,[19] und im Juli 1914 am 4. Österreichischen Alkoholgegnertag in Brünn.[20] 1906 erschien von ihm die Studie „Alkohol und Eisenbahn im Verlag der Zeitschrift „Eisenbahnhygiene“,[21] und 1908 „Die Prüfung des Sehorgans beim Eisenbahn- und Dampfschiffpersonal“.[22]

Auch in der Ersten Republik führte er im Rahmen seiner weiteren Tätigkeit als Bahn-Arzt seine Aktivitäten gegen den Alkoholmissbrauch weiter. 1923 wurde er vom Stadtschulrat als Referent bei Elternversammlungen an Schulen zu der vom Stadtschulrat initiierten Aktion zur Bekämpfung des Alkoholismus durch die Schule eingesetzt.[23] 1920 organisierte er eine Ausstellung am Nordwestbahnhof zum Thema „Alkoholismus und Geschlechtskrankheiten“,[24] und 1935 nahm er am Internationalen Eisenbahner-Alkoholgegner-Kongress in Wien teil.[25] 1927 publizierte er eine Artikelserie zur „Begutachtung von Unfallschäden“ in den Eisenbahnberufen aber auch der Passagiere bei Eisenbahnunfällen und der Problematik der Haftpflichtversicherung im Unfallsfall.[26]

In den 1920er Jahren errichtete er am Nordwestbahnhof eine Behandlungsstelle mit Elektro- und Bestrahlungsbehandlung,[27] woraus das Ambulatorium des bahnärztlichen Instituts für Elektro- und Heliotherapie bei der Krankenkasse der Österreichischen Bundesbahnen, Nordostdirektion entstand und dessen Leitung er überantwortet bekam.[28]

Nachdem er schon im Juli 1914 den Titel eines Sanitäts-Konsulenten erhalten hatte, erfolgte nach dem Ersten Weltkrieg seine Ernennung zum Sanitäts-Konsulenten der österreichischen Bundesbahnen. 1924 bekam er vom Bundespräsidenten den Titel eines Medizinalrates verliehen.[29] 1921 kandidierte er in der „Wirtschaftlichen Organisation“ der Ärzte Wiens.[30]

Wiener Gemeinderat

Auch sein politisches Engagement setzte er in der Ersten Republik fort, indem er 1919 bei den Gemeinderatswahlen für die Sozialdemokratische Partei im 20.Wiener Gemeindebezirk kandidierte. 1923 erhielt er als Ersatzmann für die Nachfolge des verstorbenen Rudolf Beer (1863-1923) ein Mandat für den Wiener Gemeinderat, das er bis 1924 behielt.[31] 1926 kandidierte er für die freien Gewerkschaften in der Arbeiterkammer Wien für die Sektion der Verkehrsangestellten,[32] 1929 war er innerhalb der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien in der Sektion der Verkehrsangestellten vertreten, ebenso vertrat er die Arbeiterkammer Wien im Abstinentenbund.[33]

Békéss war 1938 in Wien 20, Wasnergasse 41 wohnhaft. Nach dem „Anschluss“ im März 1938 wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgt, und am 22. Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er am 3. August 1942 ermordet wurde. 1943 wurde sein gesamtes Vermögen gemäß §1 der Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich vom 18.11.1938 (RGBl. I, S. 1620) zugunsten des Deutschen Reiches an die Finanzverwaltung eingezogen.

An ihn erinnert heute sein Name auf der am 10. März 1988 beim Sitzungssaal des Gemeinderates enthüllten Gedenktafel für die von den Nationalsozialisten ermordeten Mitglieder des Wiener Landtags und Gemeinderats im Wiener Rathaus.

Quellen:

UAW, Dekanat, Med. Fak., Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-4247, Fried Alfred (Nationalien Datum 1886/87).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 177-35b, Bekes Alfred (Fried) (Rigorosum Datum 1889).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 187-324 Bekes (früher Fried) Alfred (Promotion Datum 14.7.1891).

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, 35.054, Bekes Franz Alfred (Geburtsdatum13.10.1868).

Arolsen-Archiv:

Inhaftierungsdokumente, Deportationen und Transporte, Deportationen aus dem Gestapobereich Wien, Transport 33: Deportation von Wien nach Theresienstadt, 22.07.1942, Bekes Aladar Alfred.

Inhaftierungsdokumente, Lager und Ghettos, Ghetto Theresienstadt, Kartei Theresienstadt, Totenbuch, Bekes Alfred Aladar Franz.

Staudacher Anna L., «…meldet den Austritt aus dem mosaischen Glauben». 18000 Austritte aus dem Judentum in Wien, 1868-1914: Namen – Quellen – Daten, Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2009.

Oswald Knauer: Der Wiener Gemeinderat 1861-1962, in: Handbuch der Stadt Wien, Wien 1953.

Literatur:

Békéss, Aladár: Ein Fall von Wunddiphterie der Conjunctiva. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Moritz Perles 1895.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Békéss, Aladár: Zum 80. Geburtstage Semmelweiss (1. Juli 1898). Sonderdruck aus: Klinisch-therapeutische Wochenschrift. Wien, Berlin, Leipzig: Rothschild 1898.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Békéss, Aladár: Blepharorrhagia im frühesten Kindesalter. Sonderdruck aus: Archiv für Kinderheilkunde. Stuttgart: Enke 1898.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Keywords:

Bekess Aladar, Bahn-Arzt, bahnärztlichen Instituts für Elektro- und Heliotherapie in Wien, Alkoholmissbrauch, Wiener Gemeinderat, NS-Verfolgter, Arzt, Medizingeschichte, Wien

[1] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 33, 1891, Sp. 1385.

[2] Österreichische Zeitschrift für Pharmacie, 7.12.1901, S. 1269.

[3] Feuerwehr-Signal, 5.10.1912, S. 15.

[4] Neue Freie Presse, 11.9.1913, S. 7.

[5] Illustriertes Wiener Extrablatt, 28.3.1908, S. 4.

[6] Der Fremdenverkehr, 27.9.1908, S. 9.

[7] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 24.1.1911, S. 13.

[8] Medizinische Klinik, Wochenschrift für praktische Ärzte, Nr. 15, 1908, S. 547.

[9] Verkehrszeitung, 20.11.1906, S. 6; Arbeiter Zeitung, 15.10.1908, S. 7.

[10] Arbeiter Zeitung, 25.11.1906, S. 11.

[11] Arbeiter Zeitung, 18.9.1923, S. 5.

[12] Arbeiter Zeitung, 27.12.1924, S. 7.

[13] Neue Freie Presse, 6.6.1913, S. 9.

[14] Kleine Volks-Zeitung, 16.2.1927, S. 4.

[15] Arbeiter Zeitung, 24.2.1928, S. 12.

[16] Neue Freie Presse, 16.9.1905, S. 31.

[17] Die Zeit, 28.12.1905, S. 7.

[18] Arbeiter Zeitung, 2.3.1906, S. 9.

[19] Arbeiter Zeitung, 9.9.1927, S. 11.

[20] Arbeiter Zeitung, 7.6.1914, S. 8.

[21] Eisenbahn- und Industrie, H. 13, 1906, S. 246.

[22] Internationale klinische Rundschau, Nr. 33, 1909, S. 521.

[23] Verordnungsblatt des Stadtschulrates für Wien, Nr. 32, 1923, S. 38.

[24] Arbeiter Zeitung, 13.8.1920, S. 6.

[25] Neues Wiener Tagblatt (Tagesausgabe), 1.9.1935, S. 9.

[26] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 35, 1927, S. 1139-1142; Nr. 36, 1927, S. 1194-1195.

[27] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 35, 1927, S. 1158.

[28] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 24, 1928, S. 764.

[29] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 6.5.1924, S. 9.

[30] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 18, 1921, Sp. 1171.

[31] Arbeiter Zeitung, 18.9.1923, S. 1.

[32] Arbeiter Zeitung, 11.6.1926, S. 6.

[33] Arbeiter Zeitung, 27.12.1934, S. 7.

Normdaten (Person) : Békéss, Aladár: BBL: 41263; GND: 1168179130;

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 41263 (14.06.2023);  Letzte Aktualisierung: 2023 06 14
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