Gastautor: Prof. Dr. Hermann AICHMAIR: Augen – Amulette, Brillen, Optik [16]: Geschichte der Brille

Gastautor: Hermann AICHMAIR: Augen -Amulette, Brillen, Optik [16]: Geschichte der Brille

Ähnlich sensationell ist auch die Geschichte des frühgotischen Flügelaltars im Tiroler Landesmuseum, der das Marienleben darstellt. Margarete von Tirol (mit dem Beinamen „Maultasch“) übertrug 1363 nach dem Tode ihres zweiten

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Mannes und ihres einzigen Sohnes alle Rechte, Besitzungen und väterliche Erbländer an die habsburgischen Brüder Rudolfs, Albrecht und Leopold, Herzöge von Österreich. „Unendlichen Dank sind wir dem Allerhöchsten schuldig dafür“, schrieb Rudolf IV., der Stifter, an den Dogen Venedigs, „daß wir in den Besitz des Landes Tirol gelangt sind. “ Man kann heute mit Sicherheit sagen, dass die beiden knienden Stifter: Albrecht III.  von Österreich mit seiner ersten Gemahlin Elisabeth Maler, 1439 die als Tochter Karls IV die Bügelkrone trägt, und Leopold III. mit seiner Frau Viridis, Tochter des Visconti von Mailand, darstellen. Die beiden Damen werden durch den böhmischen Zeremonienmeister mit Hermelinbesatz ausgezeichnet. Der Vertrag von Schärding 1369 sicherte den Habsburgern Albrecht und Leopold (Rudolf war 1365 gestorben) endgültig die Herrschaft über Tirol. Sie machen 1370 eine Huldigungsreise durch Tirol, und das dürfte der Anlass zum Auftrag zur Herstellung dieses Altars gewesen sein. Auf der Sonntagsseite des Altars findet sich die Darstellung einer Nietbrille. Ein Apostel liest am Bette des „Marientodes“ in seinem Gebetbuch. Stimmt die Datierung dieses Altares, dann ist es ziemlich aufffällig, dass bestimmte Zusammenhänge zwischen Böhmen und dem Altar bestehen. Karl IV. hat sich in der Zeit zwischen 1348-1357 die Burg Karlstein erbauen lassen. In dieser Burg gibt es einen Altar, der von Tomaso da Modena gestaltet wurde.

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Dieser Maler hat zur selben Zeit auch die Fresken in Treviso gemalt und hat sicherlich über die Existenz von Brillen Bescheid gewusst. Der Maler des Altars von Schloss Tirol muss ebenfalls die Vorteile einer Brille gekannt haben. Die Gemahlin Albrechts III., Tochter Karls IV., hat möglicherweise den Maler Tomaso da Modena beim Bau der Burg Karlstein getroffen, sodass die Herstellung eines Zusammenhanges nicht allzu abwegig erscheint. 1379 starb Tomaso da Modena; es könnte daher ohne weiteres sein, dass er selbst oder einer seiner Schüler diese Brillendarstellung ausgeführt hat. Es ist sicherlich die älteste bis jetzt bekannte bildliche Darstellung einer Brille in Österreich und vielleicht die zweitälteste der Welt.

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Text: Hermann AICHMAIR, MEIDLING BLÄTTER DES BEZIRKSMUSEUMS, Heft 59, 2003
Fotos: Sammlung Hermann Aichmair Bezirksmuseum Meidling

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